Informationstafeln zur Drahtstifte-Fabrik
Im Hinterhof in der Zeißstraße 28 sind zwei Ausstellungstafeln zur Geschichte der ehemaligen Drahtstiftefabrik und zum Wohnen in den Häusern angebracht. Das Stadtteilarchiv Ottensen möchte mit den Tafeln den Besuchern die Gelegenheit geben, auch außerhalb der Öffnungszeiten, etwas über die Geschichte der Fabrik und der Wohnhäuser, an der Straße zu erfahren.
Die Ottensener Drahtstifte-Fabrik J.D. Feldtmann
Mit dem Namen Feldtmann ist die Drahtstiftefabrik seit 1883 verbunden. Der Altländer Kapitän Johann Dietrich Feldtmann erwarb die von Wilhelm Vehstedt 1874 gegründete Firma. Für den Erwerb der Fabrik verkaufte er sein Segelschiff. Das Geschäft wurde ab 1920 von seinem Sohn Walter geführt, der gelernte Maschineningenieur trat nach dem Ersten Weltkrieg 1919 als „Technischer Leiter“ in den väterlichen Betrieb ein. Ab 1945 begannen die Söhne von Walter Feldtmann Gerd und Horst ihre Mitarbeit in der Firma. Miteigentümer wurden sie zusammen mit ihrer Mutter erst nach dem Tode Walter Feldtmanns im Jahre 1977.
Anfang der 1960er Jahre beschäftigte die Drahtstiftefabrik im Durchschnitt sieben Frauen in den Packereien, zwei Schlosser, drei Drahtzieher und vier weitere Arbeiter, die als Maschinensteller und Putzer in der Herstellung arbeiteten. Im Kontor waren die Firmeninhaber beschäftigt. Diese Beschäftigtenzahlen gelten auch für die Zeiten guter Umsätze in den 1920er und 1930er Jahren, in wirtschaftlichen Krisensituationen wurde die Belegschaft der Drahtstiftefabrik immer schnell reduziert. Schon seit Mitte der 1970er Jahre begann das Geschäft schlechter zu werden, weil Drahtstifte in vielen Produktionsbereichen nicht mehr benötigt wurden. Die Belegschaft wurde erheblich verkleinert, außer den Brüdern Feldtmann und Meister Spaude arbeiteten in den letzten Jahren nur noch eine langjährige Packerin, ein seit 1953 in der Fabrik beschäftigter angelernter Drahtzieher und wechselnde Hilfskräfte im Betrieb.
Obwohl die Stiftherstellung wieder anlief, machte der Betrieb doch erhebliche Verluste. Aus Sicht der Eigentümer war eine Weiterführung der Produktion deshalb nicht mehr rentabel. Im Dezember 1985 wurde die Drahtstiftefabrik in der Zeißstraße nach 111 Jahren geschlossen.
Wohnungsbau und Wohnverhältnisse
Im Gegensatz zu sonst in Ottensen üblichen Unterkünften für einfache Arbeiterfamilien waren die im Osterkirchenviertel gebauten Häuser vom Grundriß und der Wohnungsgröße her für die damalige Zeit fortschrittlich. Die Möglichkeit, hinter den Wohnhäusern gelegene Gärten zu nutzen, trug sicherlich zunächst zu den relativ guten Wohnverhältnissen bei. Die Häuser entsprachen der sozialreformerischen Tendenz einzelne Familien in Mietshäusern voneinander zu trennen. Jede Wohnung hatte einen eigenen Zugang, und der vorhandene Flur erlaubte die separate Nutzung einzelner Zimmer. Die Gärten gingen infolge der baulichen Verdichtung in den späteren Jahrzehnten bei fast allen Grundstücken verloren. Sie wichen entweder weiteren Wohnhäusern oder kleinen Gewerbebetrieben in den Hinterhöfen. Nachdem die Drahtstiftfabrik ihren Betrieb aufgenommen hatte, vermieteten die Fabrikanten die kleinen Wohnungen in den Vorderhäusern zum Teil an ihre Arbeitskräfte.
Die Drahtstiftproduktion verursachte viel Lärm, der auch die Anwohner der Zeißstraße störte. Die langjährige Mieterin einer Wohnung, Frau Straatmann, die bis zur Stilllegung des Betriebes 65 Jahre mit den Produktionsgeräuschen der Maschinen lebte, meinte, daß es hauptsächlich im Sommer sehr laut gewesen sei, weil dann Fenster und Türen der Maschinensäle geöffnet wurden. Allerdings sei sie an den Lärm gewöhnt gewesen, da sie ja seit ihrer Geburt hier gelebt hätte. Sie räumte aber doch ein, daß es „sonnabends und sonntags, wenn nicht gearbeitet wurde, eine Wohltat gewesen ist.
In der Großen Carlstraße (heute Zeißstraße) wurden die Häuser erst im Jahre 1896 an das öffentliche Kanalisationsnetz angeschlossen. Alle Wohnungen konnten „modernisiert“ werden. Die nun möglich gewordenen Toiletten mit Wasserspülung wurden für die Parterrewohnungen im Hinterhof angelegt und für die oberen Wohnungen der Häuser auf dem Dachboden eingebaut. Sie ersetzten die üblichen Latrinenhäuschen. Bis 1985 blieb die Anlage in dieser Form erhalten.