Alte Stadtchroniken und heimatkundliche Schriften charakterisieren Altona und Ottensen als Orte, an denen anderswo Ausgegrenzte ein Zuhause fanden. Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion, Arme und Reiche, zunftlose und zünftige Handwerker sollen hier mit- und nebeneinander gut ausgekommen sein. Dieser Ruf besteht bis heute fort und besonders Ottensen ist als ein Ort großer Toleranz im Zusammenleben sehr unterschiedlicher Menschen bekannt.
Ottensen, einst Bauerndorf, entwickelte sich ab 1853 durch günstige Zollbedingungen zur Industriestadt. Der Zuzug der nötigen Arbeitskräfte führte zur schnellen Verdichtung mit Arbeiterwohnhäusern und kleineren Zuliefer- und Handwerksbetrieben. 1867 war Ottensen mit 7000 Einwohnern das größte preußische Dorf. Als erste Betriebe entstanden Glashütten, die sozusagen auf die grüne Wiese gebaut wurden. Zahlreiche Fischräuchereien gaben Teilen von Ottensen den Spitznamen „Klein Heringsdorf“, auch Zigarrenfabriken und Tabakverarbeitung in Heimarbeit gehörten zum Bild der wachsenden Stadt. Der beherrschende Teil der Industrie wurde jedoch die Metallindustrie.
Schlechte Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse, die zur Tuberkuloseerkrankung führten, die Löcher in der Lunge verursachte, sollen Pate für einen weiteren Spitznamen gestanden haben, der für ganz Ottensen lange Zeit Bestand haben sollte: „Mottenburg“.
Die verkehrsgünstige, hafennahe Lage und die bereits 1844 gebaute Altona-Kieler-Eisenbahn begünstigten die Entwicklung zur Industriestadt. Neben den Landhäusern und Fabrikantenvillen am Elbhang entstand so ein typisches Fabrik- und Arbeiterviertel.
Von Kriegszerstörungen weitgehend verschont blieb das Viertel bis in die 1970er Jahre Industriestandort. Durch den Verfall und Wegzug großer Betriebe durch Wirtschaftskrisen, Missmanagement und fehlende Expansionsmöglichkeiten entstanden die typischen Merkmale der späteren Sanierungsgebiete: leerstehende Häuser und Fabrikhallen, ungepflegte Altbauten, ungenutzte Freiflächen, vergiftete Brachen und der verstärkte Zuzug und Verbleib „ärmerer Menschen”, darunter viele EinwanderInnen und StudentInnen.
Neu Altona – Planungen nach 1945
„Neue City Altona“
Mitte der 1950er Jahre sahen die verantwortlichen Planer, der Hamburger Oberbaudirektor Werner Hebebrand und der Chefplaner der „Neuen Heimat“ Ernst May, in den Kriegszerstörungen Altona-Altstadts die Chance zur totalen Neuüberplanung dieses historischen Stadtbereichs und Arbeiterwohnquartiers. Ziel war es, das enge funktional durchmischte, sanierungsbedürftige Altstadtgebiet durch klar gegliederte Funktionsbereiche zu ersetzen. Die Trennung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Verkehr – umgeben von ausreichend Spiel-, Erholungs- und Freizeitflächen – wurde angestrebt.
Schritt für Schritt wurde die „Neu-Altona-Planung“ zwischen Altonaer Bahnhof und St. Pauli, Elbe und Bahnhof Holstenstraße umgesetzt und ein großer Teil der restlichen historischen Bebauung abgerissen.
Bemühungen des frühen Wiederaufbaus nach 1945, die sich um die Anknüpfung an historische Strukturen und sozialräumliche Traditionen des Stadtteils bemühten, konnten politisch nicht durchgesetzt werden.
Im Zuge dieser Planungen wurden die Große und Neue Große Bergstraße mit zwei Einkaufszentren und Bürohochhäusern zur „Neuen City Altona“ und zur ersten Fußgängerzone Hamburgs umgeplant und gebaut.