Das KZ Esterwegen
Das KZ Esterwegen war eines der sogenannten frühen Konzentrationslager, die die Nationalsozialisten in den Wochen und Monaten nach der Machtübertragung am 30. Januar 1933 an vielen Orten im Deutschen Reich gründeten. Diese Lager entstanden oft auf Initiativen lokaler NS-Führer und wurden von verschiedenen Akteuren wie der Sturmabteilung (SA), der Schutzstaffel (SS) oder der Polizei betrieben.
Denn kaum hatten die Nationalsozialisten die Macht übernommen, begannen sie, politische Gegner:innen zu verfolgen und zu inhaftieren. Die nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 erlassene Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat setzte wesentliche Grundrechte außer Kraft und erlaubte es dem NS-Regime, Andersdenkende willkürlich und ohne Gerichtsverfahren in sogenannte Schutzhaft zu nehmen. Die Inhaftierten waren zunächst vor allem Kommunist:innen, Sozialdemokrat:innen und Gewerkschafter:innen. Die Nationalsozialisten misshandelten und ermordeten sie.
Viele der Haftorte waren improvisiert und entstanden in Kellern und Turnhallen, leerstehenden Fabrikgebäuden und Kasernen. Die ersten permanenten Konzentrationslager mit Holzbaracken und Lagerstraße, Appellplatz und Stacheldraht entstanden in der Nähe von Papenburg im Emsland. Für die Finanzierung, Verwaltung und Organisation war in dieser frühen Phase des Nationalsozialismus der preußische Staat zuständig. Eines der sogenannten Emslandlager war das KZ Esterwegen, das für 2000 Häftlinge geplant wurde. Bis 1945 richteten die Nationalsozialisten in den heutigen Landkreisen Emsland und Grafschaft Bentheim insgesamt 15 Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlager ein. Am 12. August 1933 erreichte ein Transport von ca. 190 Männern aus Altona, vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten, das KZ Esterwegen. Die Arbeiten an der Infrastruktur des Lagers – auch dafür nutzte die SS die Arbeitskraft der Häftlinge – waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Max Radtke und Karl Riehm, zwei ehemalige Häftlinge, die die KZ-Haft überlebten, berichteten 1947 in einem Brief an die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) von ihren ersten Eindrücken nach der Ankunft und den Bedingungen im Lager:
„Der erste Eindruck war primitiv und fast harmlos, doch wurden wir sehr bald anderer Meinung. (Wir) wurden…in die Baracken gejagt. Das ging so vor sich, dass die SS vor dem Eingang der Baracken Spalier stand und wir buchstäblich Spiessruten laufen mussten. Dabei wurden Gummiknüppel, Stöcke und Schulterriemen verwendet. Auch die Hunde wurden auf uns gehetzt. Es stellte sich heraus, dass das Lager neu errichtet und wir der zweite Transport waren. Am Tag vorher war der erste Transport eingetroffen, der durchweg aus Kameraden aus Schlesien bestand. Wir Hamburg-Altonaer belegten die Baracken Nr. 2 und 3 und teilweise Nr. 4. Die ersten Arbeiten mussten wir innerhalb des Lagers verrichten und bestanden zur Hauptsache aus dem Einrichten der Baracken, dem Stopfen der Strohsäcke und dem Transport der Einrichtungsgegenstände. Später kamen dann das Legen der Wasserleitungen, Strassenbau und die Arbeit im Moor hinzu. Bei unserer Ankunft gab es weder Trinkwasser, Aborte, Strohsäcke, Arbeitszeug noch sonst irgendwelche sanitären Einrichtungen. Dafür aber die kleinere Baracke mit den Arrestzellen.“[1]
Wegen Misshandlungen und zahlreichen Morden durch die Wachmannschaft sprachen die Häftlinge bald von der „Hölle am Waldesrand“. Das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“, das die Qualen der KZ-Gefangenen schildert, ist im August 1933 im benachbarten KZ Börgermoor entstanden. Nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung um ein würdiges Gedenken und die Dokumentation der NS-Verbrechen im Emsland entstand 2011 eine Gedenkstätte am ehemaligen Standort des KZ Esterwegen.
[1] Radtke, Max; Riehm, Karl.: Brief an die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). In: Bericht der Arbeitsgemeinschaft Altona an das Zonensekretariat der VVN Hamburg. Privatbesitz Gerd Riehm.
Altona 1933 bis 1945
Eltern verboten ihren Kindern den Umgang mit jüdischen Freunden. Quer durch Familien ging ein Riss – viele wollten mit jüdischen Verwandten nichts mehr zu tun haben. Schüler beschimpften und schlugen jüdische Mitschüler, Schulleiter entließen die Lehrerinnen und Lehrer jüdischer Herkunft. Die Leute schauten weg, wenn ihnen ihre Nachbarn mit dem Koffer in der Hand auf dem Weg zur Deportation begegneten … und sicherten sich dann bei Versteigerungen Hausrat und Wertgegenstände der Abtransportierten.Dies alles geschah im weltoffenen Altona. Bis zur Eingemeindung nach „Groß-Hamburg“ im Jahre 1937 war Altona selbstständige und größte in Stadt Schleswig-Holstein. Sie trug (und trägt) als Wappen ein offenes Stadttor, denn seit Jahrhunderten hatten religiös Verfolgte und Ausgegrenzte hier Zuflucht gefunden. Altona, so hieß es noch 1932, war „rot“: In den Arbeitervierteln Altona-Altstadt, Altona-Nord und im Arbeiterquartier von Ottensen wurde sozialistisch und kommunistisch agitiert, SA-Propagandamärsche stießen auf Gegenwehr. Die NSDAP konnte bis März 1933 hier keine Mehrheit bei den Reichstagswahlen erringen, die SPD stellte im Stadtparlament die größte Fraktion. Altonaer Oberbürgermeister war seit 1924 der Sozialdemokrat Max Brauer.
Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich änderten sich die Verhältnisse. Am 11. März 1933 besetzte die SA das Altonaer Rathaus. Bei den Kommunalwahlen am Tag darauf kam die NSDAP zusammen mit ihren bürgerlichen Bündnispartnern an die Macht. Altona wurde Gau-Hauptstadt der NSDAP in Schleswig-Holstein. Im Mai 1933 begann der erste Sondergerichtprozess der NS-Justiz. Diejenigen, die den SA-Schlägertrupps beim „Altonaer Blutsonntag“ Widerstand entgegengesetzt hatten, wurden verurteilt, vier von ihnen zum Tode.
Bruno Tesch
Das als „Altonaer Blutsonntag“ am 17. Juli 1932 in die Geschichte Altonas eingegangene Datum, war ein Marsch von 7000 SA- und SS- Leuten aus Schleswig-Holstein. Der Marsch forderte 18 Todesopfer, die meisten erschossen von einer übermotivierten Hamburger Polizei. In einem Schauprozess verurteilte ein Sondergericht 1933 vier Männer zum Tode, darunter den zwanzigjährigen Bruno Tesch. Erst 60 Jahre später wurden die Unrechtsurteile aufgehoben.
In Altona waren bisher, nah beieinander im Gebiet der Ereignisse des “Altonaer Blutsonntags” liegend, vier öffentliche Orte zum Gedenken an die ersten vier Justizopfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft benannt: der August-Lütgens-Park, der Walter-Möller-Park, die Karl-Wolff-Straße und die ehemalige Bruno-Tesch-Gesamtschule. Nach der Schließung der Schule und des Umzuges in die neu gebaute Louise-Schroeder-Schule, drohte der Name von Bruno Tesch in Vergessenheit zu geraten.
Der Ausschuss für Kultur und Bildung der Bezirksversammlung Altona und das Stadtteilarchiv Ottensen haben sich daher für den Erhalt des Gedenkens an Bruno Tesch eingesetzt. Im Rahmen einer kleinen Feier am 17. Juli 2008, um 11.00 Uhr den Bruno-Tesch-Platz im Straßenwinkel zwischen Große Bergstraße und Jessenstraße eingeweiht.
siehe auch unter Links: Digitale Bibliothek www.stadtteilgeschichten.net
dort sind unter Archive & Sammlungen bei Ottensen die Titel, bei Eingabe des Suchbegriffs: Nationalsozialismus, aus der Bibliothek des Stadtteilarchivs Ottensen zu finden.