Ottensen
Ein neuer Aspekt und Untersuchungsgegenstand, der viele Interessierte in das Archiv lockt, ist der fortschreitende Strukturwandel, die Gentrifizierung im Viertel, seit Anfang der 1970er Jahre. Alte, leer stehende Fabriken wurden anfangs besetzt oder billig gemietet. Deren Nutzung wurde später oft durch feste Vermietung oder Kauf legalisiert. Den Stadtteilaktiven aus kulturellen und sozialen Initiativen und Bewohnern war nicht bewusst, dass sie als „Pioniere“ Aufbauarbeit im Prozess der Gentrifizierung leisteten. Die sogenannte Kahlschlagsanierung des Viertels konnte abgewendet werden. Neue Läden siedelten sich in Ottensen an, alte „Eckkneipen“ wurden „Szenekneipen“.
Ab Ende der 1980er Jahre setzte eine neue Phase im Strukturwandel ein. Die neuen Fabrikanten, Firmen der New Economy, die viele der erhaltenen, restaurierten und modernisierten Fabrikanlagen nutzten kamen. In Immobilienanzeigen und der Presse wird der Stadtteil Ottensen inzwischen in einem Atemzug sowohl mit Eppendorf oder Othmarschen, was die Mietpreise angeht genannt, aber auch mit St. Georg, Schanzenviertel, Karoviertel und St. Pauli verglichen, die sich in einer ähnlichen Entwicklung befinden. Die Gentrifier, gut verdienende jüngere Aufsteiger entdecken Ottensen, ganz so wie die Stadtplaner in den 1970er Jahren es sich für das heruntergekommene Viertel gewünscht hatten. Durch die steigenden Mieten und den Bau von überwiegend Eigentumswohnungen geraten AltmieterInnen heute zunehmend unter Druck, sie bringen die geringste Rendite in Mietwohnungen. Staatlicher Schutz für den Erhalt der Bevölkerungsstruktur in den Stadtteilen wird zwar angemahnt, aber auch die Saga oder andere Wohnungsbaugesellschaften konkurrieren in den angesagten Vierteln mit der freien Bauindustrie.
Dieser Prozess der Gentrifizierung, wurde in den 1980er Jahren als eine Umkehr des Trends der Stadtflucht auch wissenschaftlich erfasst: die Innenstädte werden von den Menschen als Wohnort und Lebensraum wiederentdeckt. Die zahlreichen Pioniere der 1970er Jahre schufen eine soziale und kulturelle Vielfalt im Viertel, die zu einem attraktiven Stadtteilimage führte. Gleichzeitig wurde Ottensen durch die staatlich subventionierte Sanierung vieler Gebäude und später auch durch private Immobilienfirmen und andere Bauinvestoren stark aufgewertet. Heute besteht die Aufgabe darin, den Mix zu erhalten: die soziale Vielfalt, die Mischung von Arm und Reich, von Zuwanderern und Einheimischen und von Wohnen und Arbeiten, Konsumieren und Amüsieren.
Altona-Altstadt
Andere Stadtteile, wie das Gebiet um die Große- und Neue Große Bergstraße in Altona-Altstadt, die als Opfer einer als misslungen betrachteten Stadtplanung der 1960er/70er Jahren gelten, stehen vor großen wirtschaftlichen und sozialen Umwandlungsprozessen. Es wurde erfolgreich versucht das Klima durch viele künstlerische und soziale Initiativen, unterstützt durch ein Quartiermanagement, gezielt zu verbessern. Ein verhaltener Optimismus war die Folge. Urbane Kultur versteht sich hier als informiert- und engagiert sein für das eigene Wohnquartier.
Sehr umstritten war der Bau des ersten Stadt-Ikea Hauses in der Großen Bergstraße. Das alte Einkaufszentrum Frappant wurde dafür abgerissen. Ob Ikea als „Motor“ es schaffen wird den Stadtteil neu zu beleben bleibt abzuwarten. Das befürchtete Verkehrschaos blieb vorläufig aus. Viele Faktoren sprechen dafür, dass es auch in Altona-Altstadt zu einer Aufwertung zum Nachteil der jetzigen BewohnerInnen kommen kann. Befürworter besonders Gewerbetreibende erhoffen sich eine Revitalisierung des Stadtteils.