Als Beispiel für die Frauengeschichtsarbeit ist hier die Biografie von Alma Wartenberg nachzulesen. In der Bibliothek gibt es weiteres, umfangreiches Material zu anderen Forschungsthemen in der Frauengeschichte z.B. die Publikation der Frauengeschichtsgruppe des Stadtteilarchivs Ottensen von 1988: Aufgeweckt – Frauenalltag in vier Jahrhunderten – Ein Lesebuch
“Die Frau muß Herrin über ihren eigenen Körper bleiben!”
Die gebürtige Ottenserin war einzige weibliche Abgeordnete im Schleswig-Holsteinischen Landtag (1925 bis 1927) und vertrat die SPD im Parlament der Stadt Altona (1919 bis 1925). Aus einer sozialdemokratischen Familie stammend, führte ihr Weg vom Dienstmädchen, Ehefrau eines Schlossers und Mutter von vier Kindern über die Position der sozialdemokratischen Vertrauensfrau in Ottensen zur politischen Abgeordneten.
Alma Wartenberg hat sich für die Rechte der Arbeiterinnen, für Mutterschutz und besonders auch für sexuelle Aufklärung eingesetzt. Wegen ihres Engagements für die Freigabe von Verhütungsmitteln wurde sie mehrfach von Gefängnisstrafen bedroht.
Die Biografie von Alma Wartenberg 1871-1928
Geboren wurde Alma Wartenberg in „Mottenburg“, dem ärmeren Teil von Ottensen, als eines von 12 Kindern einer traditionell sozialdemokratischen Zigarrenmacherfamilie. Schon ihre Mutter Maria Stähr betätigte sich unter dem Sozialistengesetz in getarnten Frauenbildungsorganisationen. Alma Wartenberg arbeitete als Dienstmädchen, bis sie den Schlosser Ferdinand Wartenberg heiratete, mit dem sie vier Kinder hatte. Politisch trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter und baute vor Ort die proletarische Frauenbewegung maßgeblich mit auf. Von 1902 bis 1906 wurde sie auf Frauenversammlungen alljährlich zur sozialdemokratischen Vertrauensfrau im Wahlkreis Ottensen/Pinneberg gewählt. Um das politische Engagement von Arbeiterfrauen zu fördern – auch gegen den Widerstand vieler männlicher Parteigenossen – bereiste sie als Agitatorin schleswig-holsteinische Wahlkreise und erweiterte zu einer Zeit, als Frauen per Reichsgesetz die Mitgliedschaft in politischen Organisationen noch verboten war, das Netz weiblicher Vertrauenspersonen und Frauenversammlungen – parallel zur Parteistruktur aber mit relativer Autonomie. Als Delegierte nahm sie an Frauenkonferenzen und Parteitagen teil.
1905 gehörte sie mit zu den Initiatorinnen einer Protestkampagne gegen ein skandalöses Urteil des Altonaer Schwurgerichtshofes: Obwohl der Vergewaltigung eines Dienstmädchens überführt, waren vier junge Männer aus bürgerlichen Kreisen freigesprochen worden. Entgegen der sozialdemokratischen Parteilinie und auch im Widerspruch zur Führung der proletarischen Frauenbewegung befürwortete Alma Wartenberg eine Zusammenarbeit mit den sogenannten „Radikalen“ innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung. Ausgestattet mit einer gehörigen Portion Eigensinn und einem starken Willen, die Interessen der Frauen nicht denen der Partei unterzuordnen, geriet Alma Wartenberg schon 1906 in Konfrontation mit führenden Funktionären: Ein Parteiausschlussverfahren gegen sie musste zwar eingestellt werden, aber als Vertrauensfrau wurde sie trotz Unterstützung ihrer Genossinnen abgesetzt.
Von nun an legte Alma Wartenberg den Schwerpunkt ihres politischen Engagements auf das Thema Mutterschutz und Geburtenkontrolle. Ihr lag an der Verbesserung der Lebensverhältnisse und der Gesundheit von Frauen. Die hohe Säuglingssterblichkeit, die weite Verbreitung der sogenannten „Frauenleiden“ infolge der vielen Geburten und Fehlgeburten und auch der häufig praktizierten Abtreibungen sowie auch die erschreckende Unkenntnis der Arbeiterfrauen über körperliche und sexuelle Vorgänge hatten sie alarmiert. Sie forderte einen besseren Schutz der Mütter und der schwangeren Arbeiterinnen. Ihr Spezialgebiet wurde die Aufklärung der proletarischen Frauen. Dabei kamen ihr Kenntnisse zugute, die sie als Dienstmädchen in einer Arztfamilie beim Aushelfen in der Sprechstunde gesammelt hatte. Sie zog mit Lichtbildervorträgen über den weiblichen Körper, über Empfängnisverhütung und Mutterschutz von Stadt zu Stadt. Im Anschluss an ihre stark besuchten Vorträge – mehrere Hundert Zuhörerinnen waren keine Seltenheit – verkaufte sie öffentlich Verhütungsmittel. Damit brachte sie die Justiz, die Beamtenärzteschaft und kirchliche Kreise im konservativen Kaiserreich gegen sich auf. Mehrfach drohten ihr Gefängnisstrafen wegen „Vergehens gegen das sittliche Empfinden“.
Auch innerhalb der Partei blieb Alma Wartenberg sehr umstritten. Als kurz vor dem ersten Weltkrieg die Gesetze gegen Verhütungsmittel und das Abtreibungsverbot verschärft werden sollten, erklärte Alma Wartenberg, dass alleine die Frau das Recht habe, über ihren Körper und die Zahl ihrer Geburten zu bestimmen. Entgegen der offiziellen Parteilinie unterstützte sie innerhalb der Sozialdemokratie die heftig debattierte Idee eines „Gebärstreiks“ als Protest gegen den staatlichen „Gebärzwang“, eine Idee, die vor allem bei Arbeiterfrauen auf Zustimmung stieß.
Während des ersten Weltkrieges engagierte sich Alma Wartenberg in der Kriegsfürsorge. Hunger und Entbehrungen während der Kriegsjahre und die Nachricht vom Tod ihres ältesten Sohnes an der Front schwächten ihre Gesundheit. Trotzdem ließ sie sich 1919 in der neuen Republik, die den Frauen das lang erkämpfte Wahlrecht brachte, als Abgeordnete für die SPD neben Louise Schröder in das Altonaer Stadtverordnetenkollegium wählen und saß von 1925 bis 1927 als einzige Frau im Schleswig-Holsteinischen Provinziallandtag in Kiel.